Gerade noch mal gut gegangen

Die Vorweihnachtszeit war immer etwas hektisch, aber auch besonders schön. Einerseits mussten in jedem Fach noch die letzten Klassenarbeiten geschrieben werden, in der Jahrgangsstufe 5/6 sollten möglichst alle Arbeiten des Halbjahres vor den Weihnachtsferien geschrieben sein.

Andererseits wurde eine besonders heimelige Atmosphäre in den Klassenräumen geschaffen. Die Fenster wurden geschmückt, Sterne, Transparentbilder, Wattebäusche, Tannenzweige usw. dekoriert. Oft stand auch ein Adventsgesteck oder ein -Kranz auf dem Pult und in der ersten Stunde wurde(n) die Kerze(n) angezündet.

So auch in meiner Klasse, die ich zusammen mit Walter Stratenschulte Mitte der 80er Jahre als Klassenlehrerin begleitete. Die Kinder und Eltern waren sehr engagiert, eine Mutter hatte einen riesigen Adventskranz gebunden und mit dicken Kugelkerzen bestückt. Wir hängten den Kranz an einen Kartenständer. Es sah toll aus.

In der zweiten Adventswoche wurden die Eltern zu einer Adventsfeier im Klassenraum eingeladen, 16 bis 18 Uhr. Den Putzfrauen hatten wir gesagt, dass wir selber „Klar Schiff“ machen würden.

Es wurde eine wunderschöne Feier, die Schüler*innen hatten ein- und mehrstimmige Musikstücke eingeübt, Flöte, Gitarre und Geige kamen zum Einsatz und das wirklich gut. Es wurde vorgelesen, vorgetragen, erzählt und selbstgebackene Plätzchen verspeist. Gegen 18 Uhr musste Schluss ein. Dann wurde bald die Alarmanlage der Schule eingeschaltet. Schnell aufräumen, die Kerzen auf den Tischen löschen, Reste zusammenpacken, Fußboden - so gut es ging – säubern. Klassentür abschließen. Ein langer Tag ging zu Ende. Alle waren froh und zufrieden.

Am nächsten Morgen kam um kurz vor 8 Uhr eine Schülerin aufgeregt auf mich zu. „Frau Steffens, in unserem Klassenraum flackert was! Als ich gerade am See entlang ging und nach oben zu unseren Klassenfenstern schaute, sah ich was leuchten.“ So schnell wie möglich liefen wir zum Klassenraum. Die dicke Kugelkerze (1. Advent!) am Adventskranz war komplett heruntergebrannt! Keine Viertelstunde mehr, und der Kranz hätte Feuer gefangen und in Flammen gestanden! Was noch hätte passieren können …

Heute löschen sich Adventskerzen automatisch aus, wenn sie abgebrannt sind. Eine wirklich sinnvolle Erfindung!

Hildegard Steffens



Damals, als ich Arnold Hau nicht begegnete

von Kallu Türck

Die Ereignisse, die hier zur Sprache kommen, fielen für mich in die Zeit nach zwei kritischen Bewährungsproben. Zuerst hatte für mich zum zweiten Mal der Ernst des Lebens begonnen, indem ich (schon wieder) in die Schule kam, diesmal aber, um dort mein Geld zu verdienen. Nach überstandener dreijähriger Probezeit an einem konservativen Gymnasium widmete ich mich in zwei Jahren Erziehungsurlaub der Versorgung unseres Sohnes und des Haushalts unserer Kleinfamilie. Danach bekam ich eine Stelle an meiner Wunschschule, der GSW. Da war alles anders als an den zwei Gymnasien, die ich vorher leider kennen lernen musste.

Die Schule gab es erst wenige Jahre. So waren viele KollegInnen von Anfang an dabei gewesen. Diese „Alten“ steckten manchmal die Köpfe zusammen und lachten heimlich. Wir Neulinge hatten keine Ahnung, was das sollte. Es kann durchaus ein Jahr gedauert haben, bis mir etwas auffiel. Neben unserer Kaffeemaschine im LS 1 (Lehrerstation 1) befand sich an der Wand eine KollegInnenliste. Pro Kaffee sollte da jede(r) einen Strich hinter seinem Namen machen. Von Zeit zu Zeit nahm Kollegin Christiane die Liste von der Wand und machte die Abrechnung. Als das zum zweiten oder dritten Mal passierte, fiel mir auf der Liste ein unbekannter Name auf: Arnold Hau. Er war mit Kugelschreiber unten am Rand hinzugefügt. Ich fragte Christiane danach, aber sie sagte, sie sei nicht von Anfang an dabei gewesen. Ich solle Hermann fragen. Hermann zeigte sich überrascht, dass mir der Name Arnold Hau nicht geläufig war. „Kennst Du diesen weisen, hochgebildeten, vielseitigen Künstler denn nicht?“ Ich sagte, nie von ihm gehört. Darauf beschwichtigte er mich: Vielen gehe es so wie mir, weil Arnold Hau nie viel Aufhebens von seiner Kunst gemacht habe. Die gebildete Öffentlichkeit habe ihn darum links liegen lassen. „Wir,“ und damit meinte er die Fachgruppe Deutsch, „haben es uns zur Aufgabe gemacht, seinen Namen und seine Werke für die junge Generation lebendig zu erhalten.“ „Wie das?“ wollte ich wissen. Nun, sie hätten in den letzten Jahren ein Oberstufenprojekt zu Arnold Hau begonnen. Als Krönung solle daraus eine Abi-Klausur entstehen und mü. Abi-Prüfungen. Ich fragte Hermann, ob er Arnold Hau denn persönlich kennengelernt habe. Da hob er resignierend die Arme und meinte, es sei sehr schwer, zu Arnold Hau Kontakt zu bekommen. Er sei ein extrem scheuer Mensch. Aber schlimmer noch, er sei seit geraumer Zeit verschwunden, und niemand wisse, wohin. „Und wieso steht sein Name auf unserer Kaffeeliste?“ „Wir hoffen halt, dass er uns einmal besucht auf eine Tasse Kaffee. Er hat unter uns schließlich viele Verehrer.“

Wenn Christiane künftig ihre Kaffee-Abrechnung machte, schaute ich ihr über die Schulter. Hinter dem Namen Arnold Hau waren immer einige Striche. Ich sagte ihr, die könne sie bei mir dazuschreiben. Vorsichtshalber fragte sie aber jedes Mal nach. - Wer weiß?

Anmerkungen
Zur Figur Arnold Hau siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Hau (Christian Gruber)