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==Irrungen und Wirrungen des Geschichtsunterrichts am Beispiel eines Medienwagens==
''Christiane Bastert
 
Die Abiturjahrgänge um die Jahrtausendwende stellten ihren Lehrern
und Lehrerinnen gerne Klausuraufgaben, die dann in der Abizeitung
veröffentlicht wurden.
 
Der Abi-Jahrgang 1998 hatte folgende Zuordnungen vorgenommen: <br>
- Bernd Risse: ''Organisation<br>
- Dietrich Thierkopf: ''warum es unmöglich ist, etwas sinnvolles für ein abi-buch zu schreiben  <br>
Anmerkung: Es ist nicht auszuschließen, dass Titel, Thema und Rechtschreibung vom Verfasser der Klausur
selbstständig geändert wurden. Ein Original des Aufgabenzettels lag nicht vor.
- Hans Kratz: ''Die Feuerzangenbowle<br>
- Reinhard Schwingenheuer: ''Denkleistung mit gekreuzten Beinen<br>
- Christiane Bastert: ''Der Einsatz der neuen Medien im Geschichtsunterricht
 
Meine Klausuraufgabe ließ sich meiner Meinung nach am besten
anhand einer exemplarischen Unterrichtsstunde lösen. Diese
Unterrichtsstunde fand direkt vor dem verlängerten Pfingstwochenende
im Leistungskurs Geschichte statt.
 
 
'''Der Einsatz der neuen Medien im Geschichtsunterricht'''  <br>
A. <u>Einordnung der Stunde in ihren historischen Kontext</u>  <br>
Es handelte sich um eine 3. und 4. Stunde, also eine Doppelstunde,
an einem Freitag. Da ich eine anstrengende Woche hinter mir hatte
und diese Stunden meine letzten beiden vor den Pfingstferien waren,
hatte sich bei mir im Laufe der Woche der Eindruck verfestigt, die 3.
und 4. Stunde seien die 5. und 6. Stunde - die beiden letzten Stunden für alle, nicht nur für mich.
Auf dem Belegplan des Medienwagens hatte ich für die reale 3.
Stunde meinen Namen eingetragen, weil ich in der gedachten 5.
Stunde einen 20minütigen Filmausschnitt zeigen wollte.
Anmerkung: Medienwagen waren erhältlich nur in Form eines etwa 2m hohen, 1,30 m breiten tonnenschweren,
schwer beweglichen Ungetüms auf kleinen Rädern. Auf jeder Etage standen zwei davon zur Verfügung,
die man besser vorbestellte, wenn man sicher gehen wollte.
Am Beginn der 3. Stunde wussten alle, dass dies die dritte Stunde
war, nur ich war im Glauben, es sei die fünfte.
 
B. <u>Ablauf der Stunde - gekürzt auf Themen-relevante Aspekte </u>
 
[…] <br>
Ich: „So, wir müssen hier jetzt vorankommen, ich hab´ nämlich
den Videorecorder nur für die fünfte Stunde bestellt.“
 
Dennis: ''„Wieso denn für die Fünfte?“
 
Ich: „Weil wir in der 6. Stunde noch einen Text bearbeiten.“
 
Dennis: ''„Da haben wir aber kein Geschichte.“
 
Ich: „Klar, haben wir dann Geschichte, heute ist Freitag und freitags haben wir eine DOPPELSTUNDE!“ <br>
[…]
 
Nachdem mir der Sachverhalt mehr oder weniger einfühlsam erklärt worden war, hatte ich verstanden, dass meine 5. die offizielle 3. und meine 6. die offizielle 4. Stunde waren.
 
Ich: „Mist!!! Hoffentlich habe ich nicht jemandem den Videorecorder geklaut; ich hab mich dann bestimmt für die 5.
Stunde und nicht für die 3. Stunde eingetragen; ich regle das schnell; lest solange den Text auf S.30 mit folgender Aufgabe: […]“
 
Ich fahre den Videorecorder so schnell es geht zurück und achte darauf, dass er mir nicht in die Hacken rollt – äußerst schmerzhaft! Ich prüfe, ob ihn jemand braucht, fahre ihn dorthin, finde einen anderen Recorder, der noch in der 3. und 4. Stunde frei ist, trage mich für beide Stunden ein.
 
Leider befindet sich der freie Recorder in einer anderen Etage. – Ich hieve das Ungetüm mit dem nötigen Schwung über die kleine Schwelle im Aufzug und eile mit dem neuen Gerät in den Unterrichtsraum. <br>
Wir reden über den Text auf Seite 13 und schließen mit einem guten Ergebnis ab. Ich leite in die Videosequenz ein und lege die Kassette ein:
'''DER RECORDER IST KAPUTT'''. Auch der Techniker im Kurs kriegt ihn nicht zum Laufen.
 
Ich: „So, das jetzt hilft jetzt alles nichts: Ihr lest den Text in den Arbeitsblättern S.13 unter folgenden Aspekten […], den Film sehen wir ein anderes Mal. So toll ist der auch nicht.“
 
Schüler: ''„Och nö, das geht aber nicht, erst freut man sich […] ''“  <br>
Weitere Äußerungen der Enttäuschung und des Unmuts schlossen sich an.
 
Ich: „Also gut, die Aufgaben macht ihr aber trotzdem. Ich versuch mal, eine Lösung zu finden.“
 
Ich fahre den kaputten Recorder zurück und entdecke, dass in der der 4. Stunde noch ein Gerät in der Mediothek frei ist. Ich trage mich in der Mediothek für die 4. Stunde ein und kehre mit guter Nachricht in den Kurs zurück: freier Recorder der Mediothek in der nächsten Stunde. Zufriedenheit macht sich breit und auf dem Hintergrund von Seite 13 entwickelt sich ein erstaunlich gutes Unterrichtsgespräch, welches ich auf keinen Fall unterbrechen will, nur weil Fünf-Minutenpause ist. Nach 20 Minuten ist das Gespräch zu einem Abschluss gekommen. Noch genau 25 Minuten! Wir liegen optimal in der Zeit! Ich ergreife die Kassette, löse sie aus der Papphülle, drehe mich um und will sie einlegen…. '''KEIN RECORDER HINTER MIR!'''
 
Die Stunde konnte ohne Video und ohne jeglichen Protest seitens des Kurses zu Ende gebracht werden. Während ich noch Eintragungen im Kursbuch machte, kam Dennis auf mich zu, um mir folgende Frage zu stellen:
 
'''„Sollen wir den Recorder in die Mediothek zurückbringen, Frau Bastert?“
 
 
 
 
 
 
==Gerade noch mal gut gegangen==
''Hildegard Steffens
 
 
Die Vorweihnachtszeit war immer etwas hektisch, aber auch besonders schön. Einerseits mussten in jedem Fach noch die letzten Klassenarbeiten geschrieben werden, in der Jahrgangsstufe 5/6 sollten möglichst alle Arbeiten des Halbjahres vor den Weihnachtsferien geschrieben sein.
 
Andererseits wurde eine besonders heimelige Atmosphäre in den Klassenräumen geschaffen. Die Fenster wurden geschmückt, Sterne, Transparentbilder, Wattebäusche, Tannenzweige usw. dekoriert. Oft stand auch ein Adventsgesteck oder ein -Kranz auf dem Pult und in der ersten Stunde wurde(n) die Kerze(n) angezündet.
 
So auch in meiner Klasse, die ich zusammen mit Walter Stratenschulte Mitte der 80er Jahre als Klassenlehrerin begleitete. Die Kinder und Eltern waren sehr engagiert, eine Mutter hatte einen riesigen Adventskranz gebunden und mit dicken Kugelkerzen bestückt. Wir hängten den Kranz an einen Kartenständer. Es sah toll aus.
 
In der zweiten Adventswoche wurden die Eltern zu einer Adventsfeier im Klassenraum eingeladen, 16 bis 18 Uhr. Den Putzfrauen hatten wir gesagt, dass wir selber „Klar Schiff“ machen würden.
 
Es wurde eine wunderschöne Feier, die Schüler*innen hatten ein- und mehrstimmige Musikstücke eingeübt, Flöte, Gitarre und Geige kamen zum Einsatz und das wirklich gut. Es wurde vorgelesen, vorgetragen, erzählt und selbstgebackene Plätzchen verspeist. Gegen 18 Uhr musste Schluss ein. Dann wurde bald die Alarmanlage der Schule eingeschaltet. Schnell aufräumen, die Kerzen auf den Tischen löschen, Reste zusammenpacken, Fußboden - so gut es ging – säubern. Klassentür abschließen.
Ein langer Tag ging zu Ende. Alle waren froh und zufrieden.
 
Am nächsten Morgen kam um kurz vor 8 Uhr eine Schülerin aufgeregt auf mich zu. „Frau Steffens, in unserem Klassenraum flackert was! Als ich gerade am See entlang ging und nach oben zu unseren Klassenfenstern schaute, sah ich was leuchten.“ So schnell wie möglich liefen wir zum Klassenraum. Die dicke Kugelkerze (1. Advent!) am Adventskranz war komplett heruntergebrannt! Keine Viertelstunde mehr, und der Kranz hätte Feuer gefangen und in Flammen gestanden! Was noch hätte passieren können …
 
Heute löschen sich Adventskerzen automatisch aus, wenn sie abgebrannt sind. Eine wirklich sinnvolle Erfindung!
 
 
 
 
 
 
==Damals, als ich Arnold Hau nicht begegnete==
''Kallu Türck
 
Die Ereignisse, die hier zur Sprache kommen, fielen für mich in die Zeit nach zwei kritischen Bewährungsproben. Zuerst hatte für mich zum zweiten Mal der Ernst des Lebens begonnen, indem ich (schon wieder) in die Schule kam, diesmal aber, um dort mein Geld zu verdienen. Nach überstandener dreijähriger Probezeit an einem konservativen Gymnasium widmete ich mich in zwei Jahren Erziehungsurlaub der Versorgung unseres Sohnes und des Haushalts unserer Kleinfamilie. Danach bekam ich eine Stelle an meiner Wunschschule, der GSW. Da war alles anders als an den zwei Gymnasien, die ich vorher leider kennen lernen musste.
 
Die Schule gab es erst wenige Jahre. So waren viele KollegInnen von Anfang an dabei gewesen. Diese „Alten“ steckten manchmal die Köpfe zusammen und lachten heimlich. Wir Neulinge hatten keine Ahnung, was das sollte. Es kann durchaus ein Jahr gedauert haben, bis mir etwas auffiel. Neben unserer Kaffeemaschine im LS 1 (Lehrerstation 1) befand sich an der Wand eine KollegInnenliste. Pro Kaffee sollte da jede(r) einen Strich hinter seinem Namen machen. Von Zeit zu Zeit nahm Kollegin Christiane die Liste von der Wand und machte die Abrechnung. Als das zum zweiten oder dritten Mal passierte, fiel mir auf der Liste ein unbekannter Name auf: Arnold Hau. Er war mit Kugelschreiber unten am Rand hinzugefügt. Ich fragte Christiane danach, aber sie sagte, sie sei nicht von Anfang an dabei gewesen. Ich solle Hermann fragen. Hermann zeigte sich überrascht, dass mir der Name Arnold Hau nicht geläufig war. „Kennst Du diesen weisen, hochgebildeten, vielseitigen Künstler denn nicht?“ Ich sagte, nie von ihm gehört. Darauf beschwichtigte er mich: Vielen gehe es so wie mir, weil Arnold Hau nie viel Aufhebens von seiner Kunst gemacht habe. Die gebildete Öffentlichkeit habe ihn darum links liegen lassen. „Wir,“ und damit meinte er die Fachgruppe Deutsch, „haben es uns zur Aufgabe gemacht, seinen Namen und seine Werke für die junge Generation lebendig zu erhalten.“ „Wie das?“ wollte ich wissen. Nun, sie hätten in den letzten Jahren ein Oberstufenprojekt zu Arnold Hau begonnen. Als Krönung solle daraus eine Abi-Klausur entstehen und mü. Abi-Prüfungen. Ich fragte Hermann, ob er Arnold Hau denn persönlich kennengelernt habe. Da hob er resignierend die Arme und meinte, es sei sehr schwer, zu Arnold Hau Kontakt zu bekommen. Er sei ein extrem scheuer Mensch. Aber schlimmer noch, er sei seit geraumer Zeit verschwunden, und niemand wisse, wohin. „Und wieso steht sein Name auf unserer Kaffeeliste?“ „Wir hoffen halt, dass er uns einmal besucht auf eine Tasse Kaffee. Er hat unter uns schließlich viele Verehrer.“
 
Wenn Christiane künftig ihre Kaffee-Abrechnung machte, schaute ich ihr über die Schulter. Hinter dem Namen Arnold Hau waren immer einige Striche. Ich sagte ihr, die könne sie bei mir dazuschreiben. Vorsichtshalber fragte sie aber jedes Mal nach. - Wer weiß?
 
Anmerkung: ''Zur Figur Arnold Hau siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Hau

Aktuelle Version vom 30. Oktober 2022, 16:12 Uhr

Irrungen und Wirrungen des Geschichtsunterrichts am Beispiel eines Medienwagens

Christiane Bastert

Die Abiturjahrgänge um die Jahrtausendwende stellten ihren Lehrern und Lehrerinnen gerne Klausuraufgaben, die dann in der Abizeitung veröffentlicht wurden.

Der Abi-Jahrgang 1998 hatte folgende Zuordnungen vorgenommen:
- Bernd Risse: Organisation
- Dietrich Thierkopf: warum es unmöglich ist, etwas sinnvolles für ein abi-buch zu schreiben

Anmerkung: Es ist nicht auszuschließen, dass Titel, Thema und Rechtschreibung vom Verfasser der Klausur
selbstständig geändert wurden. Ein Original des Aufgabenzettels lag nicht vor.

- Hans Kratz: Die Feuerzangenbowle
- Reinhard Schwingenheuer: Denkleistung mit gekreuzten Beinen
- Christiane Bastert: Der Einsatz der neuen Medien im Geschichtsunterricht

Meine Klausuraufgabe ließ sich meiner Meinung nach am besten anhand einer exemplarischen Unterrichtsstunde lösen. Diese Unterrichtsstunde fand direkt vor dem verlängerten Pfingstwochenende im Leistungskurs Geschichte statt.


Der Einsatz der neuen Medien im Geschichtsunterricht
A. Einordnung der Stunde in ihren historischen Kontext
Es handelte sich um eine 3. und 4. Stunde, also eine Doppelstunde, an einem Freitag. Da ich eine anstrengende Woche hinter mir hatte und diese Stunden meine letzten beiden vor den Pfingstferien waren, hatte sich bei mir im Laufe der Woche der Eindruck verfestigt, die 3. und 4. Stunde seien die 5. und 6. Stunde - die beiden letzten Stunden für alle, nicht nur für mich. Auf dem Belegplan des Medienwagens hatte ich für die reale 3. Stunde meinen Namen eingetragen, weil ich in der gedachten 5. Stunde einen 20minütigen Filmausschnitt zeigen wollte.

Anmerkung: Medienwagen waren erhältlich nur in Form eines etwa 2m hohen, 1,30 m breiten tonnenschweren, 
schwer beweglichen Ungetüms auf kleinen Rädern. Auf jeder Etage standen zwei davon zur Verfügung, 
die man besser vorbestellte, wenn man sicher gehen wollte.

Am Beginn der 3. Stunde wussten alle, dass dies die dritte Stunde war, nur ich war im Glauben, es sei die fünfte.

B. Ablauf der Stunde - gekürzt auf Themen-relevante Aspekte

[…]
Ich: „So, wir müssen hier jetzt vorankommen, ich hab´ nämlich den Videorecorder nur für die fünfte Stunde bestellt.“

Dennis: „Wieso denn für die Fünfte?“

Ich: „Weil wir in der 6. Stunde noch einen Text bearbeiten.“

Dennis: „Da haben wir aber kein Geschichte.“

Ich: „Klar, haben wir dann Geschichte, heute ist Freitag und freitags haben wir eine DOPPELSTUNDE!“
[…]

Nachdem mir der Sachverhalt mehr oder weniger einfühlsam erklärt worden war, hatte ich verstanden, dass meine 5. die offizielle 3. und meine 6. die offizielle 4. Stunde waren.

Ich: „Mist!!! Hoffentlich habe ich nicht jemandem den Videorecorder geklaut; ich hab mich dann bestimmt für die 5. Stunde und nicht für die 3. Stunde eingetragen; ich regle das schnell; lest solange den Text auf S.30 mit folgender Aufgabe: […]“

Ich fahre den Videorecorder so schnell es geht zurück und achte darauf, dass er mir nicht in die Hacken rollt – äußerst schmerzhaft! Ich prüfe, ob ihn jemand braucht, fahre ihn dorthin, finde einen anderen Recorder, der noch in der 3. und 4. Stunde frei ist, trage mich für beide Stunden ein.

Leider befindet sich der freie Recorder in einer anderen Etage. – Ich hieve das Ungetüm mit dem nötigen Schwung über die kleine Schwelle im Aufzug und eile mit dem neuen Gerät in den Unterrichtsraum.
Wir reden über den Text auf Seite 13 und schließen mit einem guten Ergebnis ab. Ich leite in die Videosequenz ein und lege die Kassette ein: DER RECORDER IST KAPUTT. Auch der Techniker im Kurs kriegt ihn nicht zum Laufen.

Ich: „So, das jetzt hilft jetzt alles nichts: Ihr lest den Text in den Arbeitsblättern S.13 unter folgenden Aspekten […], den Film sehen wir ein anderes Mal. So toll ist der auch nicht.“

Schüler: „Och nö, das geht aber nicht, erst freut man sich […]
Weitere Äußerungen der Enttäuschung und des Unmuts schlossen sich an.

Ich: „Also gut, die Aufgaben macht ihr aber trotzdem. Ich versuch mal, eine Lösung zu finden.“

Ich fahre den kaputten Recorder zurück und entdecke, dass in der der 4. Stunde noch ein Gerät in der Mediothek frei ist. Ich trage mich in der Mediothek für die 4. Stunde ein und kehre mit guter Nachricht in den Kurs zurück: freier Recorder der Mediothek in der nächsten Stunde. Zufriedenheit macht sich breit und auf dem Hintergrund von Seite 13 entwickelt sich ein erstaunlich gutes Unterrichtsgespräch, welches ich auf keinen Fall unterbrechen will, nur weil Fünf-Minutenpause ist. Nach 20 Minuten ist das Gespräch zu einem Abschluss gekommen. Noch genau 25 Minuten! Wir liegen optimal in der Zeit! Ich ergreife die Kassette, löse sie aus der Papphülle, drehe mich um und will sie einlegen…. KEIN RECORDER HINTER MIR!

Die Stunde konnte ohne Video und ohne jeglichen Protest seitens des Kurses zu Ende gebracht werden. Während ich noch Eintragungen im Kursbuch machte, kam Dennis auf mich zu, um mir folgende Frage zu stellen:

„Sollen wir den Recorder in die Mediothek zurückbringen, Frau Bastert?“




Gerade noch mal gut gegangen

Hildegard Steffens


Die Vorweihnachtszeit war immer etwas hektisch, aber auch besonders schön. Einerseits mussten in jedem Fach noch die letzten Klassenarbeiten geschrieben werden, in der Jahrgangsstufe 5/6 sollten möglichst alle Arbeiten des Halbjahres vor den Weihnachtsferien geschrieben sein.

Andererseits wurde eine besonders heimelige Atmosphäre in den Klassenräumen geschaffen. Die Fenster wurden geschmückt, Sterne, Transparentbilder, Wattebäusche, Tannenzweige usw. dekoriert. Oft stand auch ein Adventsgesteck oder ein -Kranz auf dem Pult und in der ersten Stunde wurde(n) die Kerze(n) angezündet.

So auch in meiner Klasse, die ich zusammen mit Walter Stratenschulte Mitte der 80er Jahre als Klassenlehrerin begleitete. Die Kinder und Eltern waren sehr engagiert, eine Mutter hatte einen riesigen Adventskranz gebunden und mit dicken Kugelkerzen bestückt. Wir hängten den Kranz an einen Kartenständer. Es sah toll aus.

In der zweiten Adventswoche wurden die Eltern zu einer Adventsfeier im Klassenraum eingeladen, 16 bis 18 Uhr. Den Putzfrauen hatten wir gesagt, dass wir selber „Klar Schiff“ machen würden.

Es wurde eine wunderschöne Feier, die Schüler*innen hatten ein- und mehrstimmige Musikstücke eingeübt, Flöte, Gitarre und Geige kamen zum Einsatz und das wirklich gut. Es wurde vorgelesen, vorgetragen, erzählt und selbstgebackene Plätzchen verspeist. Gegen 18 Uhr musste Schluss ein. Dann wurde bald die Alarmanlage der Schule eingeschaltet. Schnell aufräumen, die Kerzen auf den Tischen löschen, Reste zusammenpacken, Fußboden - so gut es ging – säubern. Klassentür abschließen. Ein langer Tag ging zu Ende. Alle waren froh und zufrieden.

Am nächsten Morgen kam um kurz vor 8 Uhr eine Schülerin aufgeregt auf mich zu. „Frau Steffens, in unserem Klassenraum flackert was! Als ich gerade am See entlang ging und nach oben zu unseren Klassenfenstern schaute, sah ich was leuchten.“ So schnell wie möglich liefen wir zum Klassenraum. Die dicke Kugelkerze (1. Advent!) am Adventskranz war komplett heruntergebrannt! Keine Viertelstunde mehr, und der Kranz hätte Feuer gefangen und in Flammen gestanden! Was noch hätte passieren können …

Heute löschen sich Adventskerzen automatisch aus, wenn sie abgebrannt sind. Eine wirklich sinnvolle Erfindung!




Damals, als ich Arnold Hau nicht begegnete

Kallu Türck

Die Ereignisse, die hier zur Sprache kommen, fielen für mich in die Zeit nach zwei kritischen Bewährungsproben. Zuerst hatte für mich zum zweiten Mal der Ernst des Lebens begonnen, indem ich (schon wieder) in die Schule kam, diesmal aber, um dort mein Geld zu verdienen. Nach überstandener dreijähriger Probezeit an einem konservativen Gymnasium widmete ich mich in zwei Jahren Erziehungsurlaub der Versorgung unseres Sohnes und des Haushalts unserer Kleinfamilie. Danach bekam ich eine Stelle an meiner Wunschschule, der GSW. Da war alles anders als an den zwei Gymnasien, die ich vorher leider kennen lernen musste.

Die Schule gab es erst wenige Jahre. So waren viele KollegInnen von Anfang an dabei gewesen. Diese „Alten“ steckten manchmal die Köpfe zusammen und lachten heimlich. Wir Neulinge hatten keine Ahnung, was das sollte. Es kann durchaus ein Jahr gedauert haben, bis mir etwas auffiel. Neben unserer Kaffeemaschine im LS 1 (Lehrerstation 1) befand sich an der Wand eine KollegInnenliste. Pro Kaffee sollte da jede(r) einen Strich hinter seinem Namen machen. Von Zeit zu Zeit nahm Kollegin Christiane die Liste von der Wand und machte die Abrechnung. Als das zum zweiten oder dritten Mal passierte, fiel mir auf der Liste ein unbekannter Name auf: Arnold Hau. Er war mit Kugelschreiber unten am Rand hinzugefügt. Ich fragte Christiane danach, aber sie sagte, sie sei nicht von Anfang an dabei gewesen. Ich solle Hermann fragen. Hermann zeigte sich überrascht, dass mir der Name Arnold Hau nicht geläufig war. „Kennst Du diesen weisen, hochgebildeten, vielseitigen Künstler denn nicht?“ Ich sagte, nie von ihm gehört. Darauf beschwichtigte er mich: Vielen gehe es so wie mir, weil Arnold Hau nie viel Aufhebens von seiner Kunst gemacht habe. Die gebildete Öffentlichkeit habe ihn darum links liegen lassen. „Wir,“ und damit meinte er die Fachgruppe Deutsch, „haben es uns zur Aufgabe gemacht, seinen Namen und seine Werke für die junge Generation lebendig zu erhalten.“ „Wie das?“ wollte ich wissen. Nun, sie hätten in den letzten Jahren ein Oberstufenprojekt zu Arnold Hau begonnen. Als Krönung solle daraus eine Abi-Klausur entstehen und mü. Abi-Prüfungen. Ich fragte Hermann, ob er Arnold Hau denn persönlich kennengelernt habe. Da hob er resignierend die Arme und meinte, es sei sehr schwer, zu Arnold Hau Kontakt zu bekommen. Er sei ein extrem scheuer Mensch. Aber schlimmer noch, er sei seit geraumer Zeit verschwunden, und niemand wisse, wohin. „Und wieso steht sein Name auf unserer Kaffeeliste?“ „Wir hoffen halt, dass er uns einmal besucht auf eine Tasse Kaffee. Er hat unter uns schließlich viele Verehrer.“

Wenn Christiane künftig ihre Kaffee-Abrechnung machte, schaute ich ihr über die Schulter. Hinter dem Namen Arnold Hau waren immer einige Striche. Ich sagte ihr, die könne sie bei mir dazuschreiben. Vorsichtshalber fragte sie aber jedes Mal nach. - Wer weiß?

Anmerkung: Zur Figur Arnold Hau siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Hau