Kleine Anekdoten

Aus gsw-geschichte.de
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Damals, als ich Arnold Hau nicht begegnete

von Kallu Türck

Die Ereignisse, die hier zur Sprache kommen, fielen für mich in die Zeit nach zwei kritischen Bewährungsproben. Zuerst hatte für mich zum zweiten Mal der Ernst des Lebens begonnen, indem ich (schon wieder) in die Schule kam, diesmal aber, um dort mein Geld zu verdienen. Nach überstandener dreijähriger Probezeit an einem konservativen Gymnasium widmete ich mich in zwei Jahren Erziehungsurlaub der Versorgung unseres Sohnes und des Haushalts unserer Kleinfamilie. Danach bekam ich eine Stelle an meiner Wunschschule, der GSW. Da war alles anders als an den zwei Gymnasien, die ich vorher leider kennen lernen musste.

Die Schule gab es erst wenige Jahre. So waren viele KollegInnen von Anfang an dabei gewesen. Diese „Alten“ steckten manchmal die Köpfe zusammen und lachten heimlich. Wir Neulinge hatten keine Ahnung, was das sollte. Es kann durchaus ein Jahr gedauert haben, bis mir etwas auffiel. Neben unserer Kaffeemaschine im LS 1 (Lehrerstation 1) befand sich an der Wand eine KollegInnenliste. Pro Kaffee sollte da jede(r) einen Strich hinter seinem Namen machen. Von Zeit zu Zeit nahm Kollegin Christiane die Liste von der Wand und machte die Abrechnung. Als das zum zweiten oder dritten Mal passierte, fiel mir auf der Liste ein unbekannter Name auf: Arnold Hau. Er war mit Kugelschreiber unten am Rand hinzugefügt. Ich fragte Christiane danach, aber sie sagte, sie sei nicht von Anfang an dabei gewesen. Ich solle Hermann fragen. Hermann zeigte sich überrascht, dass mir der Name Arnold Hau nicht geläufig war. „Kennst Du diesen weisen, hochgebildeten, vielseitigen Künstler denn nicht?“ Ich sagte, nie von ihm gehört. Darauf beschwichtigte er mich: Vielen gehe es so wie mir, weil Arnold Hau nie viel Aufhebens von seiner Kunst gemacht habe. Die gebildete Öffentlichkeit habe ihn darum links liegen lassen. „Wir,“ und damit meinte er die Fachgruppe Deutsch, „haben es uns zur Aufgabe gemacht, seinen Namen und seine Werke für die junge Generation lebendig zu erhalten.“ „Wie das?“ wollte ich wissen. Nun, sie hätten in den letzten Jahren ein Oberstufenprojekt zu Arnold Hau begonnen. Als Krönung solle daraus eine Abi-Klausur entstehen und mü. Abi-Prüfungen. Ich fragte Hermann, ob er Arnold Hau denn persönlich kennengelernt habe. Da hob er resignierend die Arme und meinte, es sei sehr schwer, zu Arnold Hau Kontakt zu bekommen. Er sei ein extrem scheuer Mensch. Aber schlimmer noch, er sei seit geraumer Zeit verschwunden, und niemand wisse, wohin. „Und wieso steht sein Name auf unserer Kaffeeliste?“ „Wir hoffen halt, dass er uns einmal besucht auf eine Tasse Kaffee. Er hat unter uns schließlich viele Verehrer.“

Wenn Christiane künftig ihre Kaffee-Abrechnung machte, schaute ich ihr über die Schulter. Hinter dem Namen Arnold Hau waren immer einige Striche. Ich sagte ihr, die könne sie bei mir dazuschreiben. Vorsichtshalber fragte sie aber jedes Mal nach. - Wer weiß?

Anmerkungen
Zur Figur Arnold Hau siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Hau (Christian Gruber)