Eine Lehrstunde (Leerstunde?) bei Herrn Bürokratius

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Es muss in den siebziger Jahren gewesen sein, als ich eine der üblichen monatlichen Gehaltsbescheinigungen bekam. Schon beim flüchtigen Durchsehen fiel mir ein zusätzlicher Betrag von 20.-DM auf, versehen mit einer kleinen Schlüsselzahl. Diese Zahlen waren auf der Rückseite „entschlüsselt“, so dass ich herausfand, dass ich diesen Zusatzbetrag von 20,-DM bekommen hatte „zur Führung eines Blindenhundes“.

Natürlich habe ich erst einmal gegrinst. Dann dachte ich: Och, ruf doch kurz die Behörde in Düsseldorf an mit der Bemerkung, ich führte keinen Blindenhund, weil ich nicht blind sei, und auch die Schule habe keinen Hund angefordert; zudem wolle ich sofort die 20,-DM an die Behörde rücküberweisen. Da hatte ich in meiner Naivität falsch gedacht! Ich hätte a) den Dienstweg einzuhalten und b) eine Bescheinigung des Schulleiters vorzulegen, dass ich keinen Blindenhund führte. Willi van Lück, unser Schulleiter, hatte auch seinen Spaß an der Sache, bemerkte aber zu Recht, dass das völlig überflüssige Mehrarbeit sei. Er seufzte und stellte die Bescheinigung aus.

In der nächsten Gehaltsabrechnung war die Blindenhundführungszulage gestrichen. Als ich mich dann erkundigte, wie und wohin ich die 20,-DM rücküberweisen könne, druckste mein Gesprächspartner am Telefon herum mit der Antwort, so einfach ginge das nicht, weil er nicht wisse, wie das zu verbuchen sei. Meinen neuen Vorschlag: „Dann ziehen Sie mir doch die 20,-DM von meinem nächsten Monatsgehalt ab.“, wies er entrüstet zurück: „Das ist buchungstechnisch gar nicht möglich!“ Seitdem herrscht in dieser Gelegenheit Funkstille.

Das Ende vom Lied: Ich bin bis heute widerrechtlich um 20,-DM reicher, hatte den Amtsschimmel mehrfach wiehern gehört und zog folgende Lehre daraus: Die Behörde zu fragen ist nicht oft hilfreich. Diese Lehre habe ich (auch später als Schulleiter), so weit es eben ging, befolgt nach dem Motto: „Was sie (die Behörde) nicht weiß, macht sie nicht heiß.“

Wolfgang Tripptrap